Flying home for Xmas – Wieso fliegen Chinesen getrennt?

Flying home for Xmas – Wieso fliegen Chinesen getrennt?

Flying home for Xmas – Wieso fliegen Chinesen getrennt?

Der Flug wird von einer Lufthansa-Tochtergesellschaft durchgeführt. Alle Passagiere, die nach München möchten, sind nun an Bord. Es geht tatsächlich Richtung München und nicht nach Monaco – Das ist aber das Thema eines anderen Blogbeitrags. Der Kapitän informiert alle Passagiere mit Bedauern, dass es zu einem gravierenden und peinlichen (!) Fehler gekommen ist: Dem Flughafen lag eine falsche Passagierliste vor: Es könnten sich demnach Passagiere in der Maschine nach München an Bord befinden, die eigentlich nach Stuttgart und nicht nach München möchten.

Die Stewardessen fragen alle Passagiere auf deutsch und zur Sicherheit auch auf italienisch: „Passeggeri per Stoccarda?“, was so viel „Passagiere nach Stuttgart?“ auf Deutsch heißt. Keiner befindet sich an Bord, der nach Stuttgart will. Gefahr gebannt! Es darf gestartet werden.

Die englische Durchsage „boarding completed“ ist zu hören. Die Maschine ist bereits auf dem Rollfeld eines süditalienischen Flughafens startklar. Piloten und Bordbesatzung sind für den Start bereit. Die Passagiere ebenso. Alle Lichter gehen aus. Es ist plötzlich stockdunkel.

In der Reihe 30 – ganz hinten in der Maschine – sitzt eine italienische Passagierin, die ständig zwischen deutsch und italienisch hin- und herswitcht: Wenn sie eine Formulierung in der einen Sprache nicht gefunden hat, hat sie die passende Wendung in der anderen Sprache gefunden. Je nach Bedarf: Manchmal auf deutsch, manchmal auf italienisch. Die Passagierin hat vor dem Start offensichtlich Angst und fordert höflich, aber bestimmend ihren männlichen Begleiter auf, die Augen zu schließen, sich zu konzentrieren und zu beten 🙏

Chiudi gli occhi, concentrati e prega!“

Schließe Deine Augen, konzentriert Dich und bete!“ so sprach die Frau aus Reihe 30 wortwörtlich. Beim Fliegen sind viele Menschen ängstlich und verunsichert. Sie sehen offensichtlich in Gebeten Hoffnung und eine Art „psychologische Abhilfe“: Im Falle eines Absturzes trennt nämlich eine sehr dünne Schicht das Leben vom Tod. Es kommt nicht von ungefähr, dass Start und Landung zu einer der gefährlichsten Phasen beim Fliegen gehören, ganz geschweige denn von der Fahrt mit dem Auto von der Wohnung zum Flughafen: Eigentlich die gefährlichste Phase überhaupt, weil Fliegen zum Glück als eine sehr sichere Sache gilt, wenn die Passagierliste nicht gerade vertauscht wird …

Kurz darauf erzählt die Frau aus Reihe 30 von einer vermeintlich chinesischen „Flugpraxis“: Chinesische Familienmitglieder würden ungern in der einen und selben Maschine ✈️ zusammenfliegen. Laut der Erzählung der Frau sollen Chinesen angeblich getrennt, d.h. in verschiedenen Maschinen am gleichen Tag zum gleichen Flugziel hinfliegen. Wieso am gleichen Tag zum gleichen Ziel getrennt fliegen?

为什么中国人喜欢分开航行?


Hier kommt die Aufschlüsselung: In dem unwahrscheinlichen Fall eines Flugzeugabsturzes – fährt die Frau aus Reihe 30 fort – sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass es Überlebende unter den Familienmitgliedern gebe, sodass die chinesische Familie sozusagen beim Flugzeugabsturz nicht komplett ausradiert wäre und dadurch indirekt für Nachkömmlinge gesorgt sei – Nach dem Motto „spread the risk!“ oder – anders geasagt – nie alles auf eine Karte setzen oder wie es ähnlich auf italienisch heißt:

non puntare tutto su una carta sola
(nie alles auf eine Karte setzen)





Davide Parisi

Diplom-Übersetzer (Uni Mainz/Germersheim) und öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Übersetzer für die italienische Sprache beim Landgericht München I