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So weit weg und doch so nah – oder Weihnachten und andere Katastrophen

So weit weg und doch so nah – oder Weihnachten und andere Katastrophen

Dass 2020 alles andere als ein planbares Jahr war, ist uns allen mittlerweile kurz vor dem Jahresende deutlich genug geworden. Erinnern Sie sich noch an die italienische Passagierin aus dem Blogpost vom Dezember 2019 (→ hier geht’s zum Blogpost „Flying home for Xmas – Wieso fliegen Chinesen getrennt?“) und an ihre Erzählung von einer vermeintlich chinesischen „Flugpraxis“, nach der chinesische Familienmitglieder ungern in der einen und selben Maschine zusammenfliegen würden. Laut der Erzählung der Frau sollen Chinesen angeblich getrennt – d.h. in verschiedenen Maschinen – am gleichen Tag zum gleichen Flugziel hinfliegen. Wieso am gleichen Tag zum gleichen Ziel getrennt fliegen?

In dem unwahrscheinlichen Fall eines Flugzeugabsturzes – erklärte die Frau aus Reihe 30 ihrer Flugbegleitung weiter – sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass es Überlebende unter den Familienmitgliedern gebe, sodass die chinesische Familie sozusagen durch den Flugzeugabsturz nicht komplett ausradiert wäre.

Die italienische Passagierin hatte kurz vor dem Jahreswechsel 2019 / 2020 in ihrer Maschine nach Deutschland absolut nicht die leiseste Ahnung – wie wir alle übrigens –, dass es ein Leben VOR und NACH und WÄHREND einer globalen Pandemie ab 2020 gibt. Ihr Leben, unser Leben, das Leben aller Menschen ist grundsätzlich 2020 anders geworden. „Flying home for Xmas“ hat an Weihnachten 2020 eine ganz andere Größe und Tiefe angenommen. Traditionen und Rituale sind das Einzige, was das Leben ein wenig sicherer, stabiler und angenehmer machen. Wenn Traditionen und Rituale wegfallen, fühlen sich die meisten unter uns verunsichert. Wir sind vielleicht an Weihnachten 2020 unseren Liebsten zum Teil ferngeblieben und doch sind wir ihnen so nah. Vielleicht näher, als wir es sein würden, wenn wir tatsächlich dort bei unseren Liebsten anwesend gewesen wären. Wir entdecken eine neue Dimension von Menschennähe, die nicht unbedingt schlechter ist als die Version von Menschennähe, die wir bisher kannten.

Wir „ächzen“ richtig nach Kontakten. Wir „verdursten“ ohne zwischenmenschliche Beziehungen. Der Mensch versteht sich selbst als „soziales“ Lebewesen. Ohne den Kontakt zu und mit anderen Menschen „sterben“ wir innerlich ein wenig und gehen irgendwie ein: Wir implodieren. Der Wille, andere Menschen zu treffen ist unwahrscheinlich groß, auch wenn wir vielleicht jahrelang wie richtige Einsiedler*innen gelebt und Menschen unter Umständen buchstäblich vermieden haben.

Die Angst vor einer Ansteckung schwindet, wenn der/die vertraute Freund*in über unsere Türschwelle geht: >>Ich brauche doch keine Maske bei Dir tragen. Wir kennen uns doch.<< So mag sinngemäß die sehr spontane, unwissenschaftliche Reaktion von manchen Freunden von uns lauten. Als ob der/die vertraute Freund*in uns rund um die Uhr beschattet hätte und jede Sekunde von unserem nicht vorhandenen, sozialen Leben in- und auswendig kennen würde.

Kann mein vertrauter guter Freund kein Super Spreader sein? Sicherlich nicht – denkt jede/r von uns. Der fiese „Feind“ ist zwar nicht sichtbar, jedoch lauert das Virus an jeder Ecke: Egal, wie vertraut unser/e Freund*in ist, sehnt sich das Virus danach, Dich als neuen Wirt zu „bewohnen“. Kann der freundliche Paketzusteller ohne Maske ein Super Spreader sein? Vielleicht. Den Paketzusteller kennt man nach den vielen Monaten im Homeoffice mittlerweile sehr gut und er ist einem auch schon vertraut. Am besten die Tür immer mit Nasen-Mund-Schutz aufmachen, wenn der Paketzusteller an der Tür klingelt. Sicher ist sicher. Kann die eigene Mutter den unsichtbaren „Feind“ in sich und mit sich tragen? Vermutlich auch nicht. Die eigene Mutter ist doch nicht hochansteckend und fast wie „von Geburt an“ geimpft oder nicht? Sie kann unmöglich ansteckend sein, zumal sie aufgrund ihres hohen Alters monatelang ihre Wohnung nicht verlassen hat. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie eine Super Spreaderin ist. Je vertrauter einem/einer die Person ist, desto unwahrscheinlicher scheint uns die Gefahr, dass die vertraute Person uns das Virus „weitergeben“ kann. Ein großartige Weihnachtsgabe, nicht wahr? 🙈

Sie kennen doch das Gefühl, was Verbotenes zu tun, nachdem etwas für verboten erklärt wurde. Wir bemühen das Paradebeispiel vom Kind und der Nougatcreme 😋 im Küchenschrank: In Ihrem Küchenschrank ist ein Glas Nougatcreme versteckt und Sie dürfen das Glas weder anfassen noch aufmachen, um von der Nougatcreme etwas zu kosten. Nun ist die Lust umso größer, sich in die Küche zu schleichen, den Küchenschrank aufmachen und das Glas Nougatcreme leer zu löffeln. Wäre das nicht verboten gewesen, wären wir vielleicht nicht so scharf auf das Glas Nougatcreme gewesen und kämen wir nicht so spontan auf die Idee, überhaupt in die Küche zu gehen. „Verbotenes🙅 macht Dinge attraktiv. Leider.

Jetzt, wo Theater, Kinos, Restaurants, Kneipen, Bars und Diskotheken pandemiebedingt geschlossen sind, verspüren wir eine noch größere, verbotene Lust, z.B. uns mit Freunden im Restaurant zu treffen. Epic fail. Leider nicht möglich 🙄. Aber wieso strengen wir uns nicht JETZT umso mehr an, Kontakte so weit wie möglich zu vermeiden, um noch schneller im Frühjahr 2021 in ein einigermaßen „normales“ Leben mit Maske 😷 zurückzukehren? Ist wirklich viel, was von uns verlangt wird? Auf ein Stück soziales Leben jetzt zu verzichten entspricht einer schnelleren Rückkehr ins „normale Leben“ mit Maske, auch wenn unser normales Leben NACH Corona nicht mehr das alte, vertraute Leben von VOR-Corona sein wird. Das ist uns schon jetzt klar 😞.

Die „Wörter des Jahres 2020“ von it-sprachvermittler.de

Es sind keine konkreten Wörter, sondern eher unbekannte Ortsnamen in Italien, die sich besonders schön anhören und eine suggestive Wirkung auf einen ausüben:

Acquacalda
„Warmes Wasser“ – So heißt ein Ortsteil von der Gemeinde Lipari auf der gleichnamigen Insel auf Sizilien / Italien. Die Namensgebung suggeriert die warme Wassertemperatur von dem Ortsteil, das am Meer liegt und nur aus zwei Hausreihen besteht.

Sonneruntergang bei Acquacalda auf Lipari (Sizilien / Italien)

Aria Morta
„Tote Luft“ – Wortwörtlich aus dem Italienischen übersetzt. So lautet der Name einer kleinen Siedlung in dem Ortsteil Quattropani („vier Brote“) auf der sizilianischen Insel Lipari / Italien. Neben den ebenfalls fantasievoll lautenden Ortsbezeichnungen wie etwa Costa d’Agosto („Augustküste“) liest man eher normalere Ortsbezeichnungen wie Chiesa Nuova („Neukirche“), Chiesa Vecchia („Altkirche“) auf den Straßenschildern.

Sonnenuntergang in Quattropani auf Lipari (Sizilien / Italien)

it-sprachvermittler.de
wünscht Ihnen
FROHE FEIERTAGE * BUONE FESTE